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Die reformatorischen Gedanken begannen sich im 16. Jahrhundert in die entferntesten Winkel Europas auszubreiten, doch die religiöse Landschaft der König- und Fürstentümer und der Städte, die willens waren die liturgische Ordnung und das Augsburgische Glaubensbekenntnis anzunehmen, änderte sich nicht sogleich. Mit der Zeit wurden die Kirchen, die Jahrhunderte den Ortsgemeinden gedient hatten, evangelisch-lutherisch, doch noch mehr neue Kirchen entstanden, deren architektonische Anlage sich nach den liturgischen und praktischen Bedürfnissen der lutherischen Gemeinden richtete.

Bei der Infrastruktur der Gemeinden und Kirchgebäude rückten stärker die katechetischen und diakonischen Anliegen in den Fokus, die Friedhöfe lagen nun außerhalb der Kirchen. Dies galt auch für das polnische Reich, bzw. die Regionen, die wiederholt ihre Landesherren wechselten und heute aber fester Bestandteil der Republik Polen sind.

Gegenwärtig gibt es in fast jeder größeren polnischen Stadt eine aktive evangelisch-lutherische Gemeinde. Die Kirchen, die ehemals den Lutheranern als Versammlungs- und Gottesdienstorte dienten, werden heute häufig von anderen Denominationen, wie zum Beispiel der römisch-katholischen Kirche, genutzt. Nicht immer wurde dabei das Andenken der Vorbesitzer gewahrt, was sich besonders drastisch an den vergessenen Nekropolen und den Gebäuden der Evangelisch-Lutherischen Kirche zeigt, die während oder nach dem Zweiten Weltkrieg in Warenhäuser oder andere öffentliche Einrichtungen umgewandelt wurden.

Die religiöse Struktur Polens änderte sich dramatisch nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges. Die enteigneten lutherischen Kirchen blieben häufig zerstört oder nur behelfsmäßig saniert und sind heute nur ein Schatten ihrer reichen Geschichte spirituellen Lebens und enormen sozialen Engagements. Polnische Geschichtsliebhaber, örtliche Behörden, verschiedene Schulen und Nicht-Regierungsorganisationen versuchen, den Verfall der alten Friedhöfe zu stoppen oder setzen sich für den Erhalt der vormals lutherischen Sakralbauten ein. Dies geschieht, um ganze Gemeinschaften und bedeutende Persönlichkeiten, die dem einen oder anderen nur noch als Namen auf Straßenschildern bekannt sind, vor dem kollektiven Vergessen zu bewahren.

Anlässlich der Feier des 500. Reformationsjubiläums startet die Evangelisch-Lutherische Kirche in Polen nun den zweiten Teil des Onlineprojekts „Reformationsdekade“, das als interaktive Lernseite unter www.luter2017.pl abrufbar ist.

Das Projekt stellt frühere und gegenwärtige evangelische Einrichtungen (Kirchen, Friedhöfe, Gemeindehäuser, Kapellen, etc.), ebenso wie Menschen, die einen Beitrag für die christliche Kirche und ihre Mitbürger geleistet haben, vor.

Bis 2017 möchten wir diese Datenbank so weit wie möglich ausbauen, so dass sie nicht nur von Historikern und Geschichtsbegeisterten, sondern auch von Touristen mit Interesse an dem multikulturellen und –religiösen Erbe unseres Landes, genutzt werden kann. Wir laden alle Internetnutzer herzlich ein, uns Material für dieses Projekt zuzusenden (Sie finden auf unserer Webseite ein Online-Formular) und damit Mitautoren der Dokumentation lutherischen Erbes in Polen zu werden.